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Windenergie auf See – Die Umwelt mit im Boot 

Die größten Windkraftanlagen sind höher als der Kölner Dom und haben zusätzlich auch noch Fundamente, die tief im Meeresboden vor der Küste versenkt werden. Technisch sind dies komplexe und beindruckende Vorgänge, natürlich gleichbedeutend mit Veränderungen für die maritime Umwelt. Diese Veränderungen sind teils temporärer Natur, andere länger andauernd. Sie beginnen bereits mit der Installation und setzen sich – auf andere Art und Weise – während der Betriebszeit fort, betreffen Flora und Fauna im Meer aber auch die Vogelwelt.   

Viel Erfindergeist ist bereits in Innovationen geflossen, welche Meerestiere und Vögel schützen. Während der Installation moderner Windparks – insbesondere beim lärmintensiven Einrammen der Fundamente – werden, um Lärmbelastungen signifikant zu reduzieren, bereits vor Baubeginn akustische Signale ausgesendet. Diese schaden den Tieren nicht, führen jedoch dazu, dass sich Populationen zeitweise aus dem Installationsbereich zurückziehen.  

Wenn sich Seehunde, Robben und Schweinswale in sicherer Entfernung befinden werden die Fundamente, unter Nutzung eines außenliegenden Schallschutzrohres, in den Boden gerammt. Zusätzlich werden sogenannte Blasenschleier um die Baustelle verlegt, „Vorhänge“ aus Luftblasen, die ebenfalls Schallwellen abfangen. Mittlerweile gibt es auch Fundamente, die ganz ohne Lärm installiert werden können. Diese saugen sich bedingt durch ihre Form langsam im Meeresboden fest. Anlagen mit solchen Fundamenten gibt es auch vor deutschen Küsten.  

Während des Betriebs fungieren die Anlagenfundamente dann wie künstliche Riffe an denen sich Muscheln, Seesterne und Seeanemonen ansiedeln. Dies sind dann neue Lebensräume, auch aufgrund des Fischereiverbotes in den Windparks. Fische, die sich in den Windparks aufhalten, locken wiederrum Seehunde und Robben an. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass bisher verschiedene Studien die Umweltauswirkungen sowohl von Installation, wie auch Betrieb auf Flora und Fauna als gering beziehungsweise nicht messbar ansehen. Gleichzeitig ist ebenso zutreffend, dass die Erforschung der maritimen Einflüsse von Offshore-Windparks ein extrem umfangreiches Thema ist, bei dem in den kommenden Jahren noch umfangreiche, interdisziplinäre und vor allem langfristige Forschung notwendig ist. Ein Ort wie das Testfeld kann solch komplexen, interdisziplinären Forschungsarbeiten Raum geben.  

Perspektivwechsel;über der Wasseroberfläche sind die möglichen Beeinträchtigungen für Vögel eine weitere Sorge mancher. Jährlich durchqueren Millionen Zugvögel die Nordsee und es besteht die Gefahr des Vogelschlags beim Durchflug durch Offshore-Windparks. Doch auch hier wird fleißig geforscht. Es gibt Projekte, die Hauptvogelzugrouten ermitteln, damit diese möglicherweise als Schutzgebiete ausgewiesen werden können. Genauso spielt die Arbeit an Lösungen zur bedarfsgerechten Befeuerung der Anlagen eine wichtige Rolle. Hiermit befasste sich auch ein Projekt der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE. Der Hintergedanke der bedarfsgerechten Befeuerung ist die nächtliche Beleuchtung auf ein Minimum zu reduzieren, um ausschließlich die Flugsicherheit zu gewährleisten und Einflüsse auf nächtlichen Vogelzug signifikant zu reduzieren. Zusätzlich kann die Verringerung der Lichtemission auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Offshore-Windenergie steigern, da aus der Entfernung die unbeleuchteten Anlagen nachts nicht mehr sichtbar sind.        

Ganz im Sinne der Vereinbarkeit von Offshore-Windenergieerzeugung und Umweltschutz wirkt sich auch die Tatsache aus, dass im Zuge einer Projektrealisierung viele Tonnen an Weltkriegsmunition aus den Tiefen der Nord- und Ostsee geborgen werden, die sonst weiter eine Gefahr und Belastung für Mensch und Natur darstellen würden. Diesem Denken folgend wird auch das Testfeld ein Ort der Vereinbarkeit erneuerbarer Energieerzeugung, wichtiger Innovation und notwendiger Umweltverträglichkeit sein. 

Diese Beispiele für Veränderungen der Umwelt durch den Ausbau der Offshore-Windenergie und ihre jeweiligen Lösungsansätze verdeutlichen, was die Erneuerbaren Energien im Kern ausmacht: Sie können im besten Fall integraler Bestandteil unserer Umwelt sein! Erneuerbare Energieformen sind nicht nur emissionsarm, sondern dienen auch einer ökologischen und sozial verantwortlichen Regionalentwicklung. Sie eröffnen Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft und erlauben ein nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der ESG-Kriterien zu Umwelt- und Klimaschutz, Arbeitnehmerrechten und guter Unternehmensführung. 

Diese Erkenntnis verdeutlicht aber auch, wie komplex und vielschichtig der Wandel zu einer nachhaltigen Energieversorgung ist und wie viele Sektoren bzw. Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Ausbau der Erneuerbaren berührt. So ist es kein Wunder, dass bereits die Genehmigung eines Offshore-Windparkprojektes nach strengen Standards und Kriterien erfolgt: Zu berücksichtigen sind beispielsweise die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, die Seeanlagen-Verordnung, Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes sowie die Vorgaben der FaunaFloraHabitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie. Zusätzlich ist ein breit angelegtes Untersuchungsprogramm zu den ökologischen Auswirkungen von Bau und Betrieb notwendig. Seit kurzem kommen Aspekte der Versorgungs- und Cybersicherheit hinzu, Fragen zur Wertschöpfung und dem Bedarf an Fachpersonal. In all diesen Belangen kann das vor Rostock geplante Testfeld helfen, viele dieser kleinteiligen Fragen erstmals in einem größeren Kontext direkt betrachten und bearbeiten zu können und Innovationen in einem bestimmten Bereich außerdem als Teil eines größeren Ganzen mitzudenken.